Arten müssen geschützt werden!

Liebe Leute,

aufgrund der drastischen Übernutzung des Natur- und Artenschutzgebiets rund um den Steinbruchsee müssen wir die Besucherzonen leider sperren. Bis zu 500 Menschen an Spitzentagen verträgt das Gebiet einfach nicht.

Es liegt eine multiple Problemlage vor:

Zum einen ist große Waldbrandgefahr gegeben. Alle, die da ein bisschen mitdenken, sehen schon den Perchtoldsdorfer Wald mindestens bis zum Teufelstein in Flammen stehen. So ein Horrorszenario muss entschieden verhindert werden.

Zum anderen reden wir hier von einem Naturschutzgebiet, worüber uns das NÖ Naturschutzgesetz folgendermaßen Auskunft gibt:

Abschnitt I
Gegenstand und Abgrenzung
§ 1
Ziele

(1) Der Naturschutz hat zum Ziel, die Natur in allen ihren Erscheinungsformen so zu erhalten, zu pflegen oder wiederherzustellen, dass

1. ihre Eigenart und ihre Entwicklungsfähigkeit,

2. die ökologische Funktionstüchtigkeit der Lebensräume, die Vielfalt, der Artenreichtum und die Repräsentanz der heimischen und standortgerechten Tier- und Pflanzenwelt und

3. die Nachhaltigkeit der natürlich ablaufenden Prozesse regionstypisch gesichert und entwickelt werden; dazu gehört auch das Bestreben, die der Gesundheit des Menschen und seiner Erholung dienende Umwelt als bestmögliche Lebensgrundlage zu erhalten, wiederherzustellen oder zu verbessern.

(2) Die Erhaltung und Pflege der Natur erstreckt sich auf alle ihre Erscheinungsformen, gleichgültig, ob sie sich in ihrem ursprünglichen Zustand befinden oder durch den Menschen gestaltet wurden (Kulturlandschaft).

Das ist ein glasklarer Auftrag an uns alle. Gefolgt von der NÖ Artenschutzverordnung, die aufzählt, welche Tierarten in diesem Gebiet besonders schützenswert sind, bzw. unter „gänzliche geschützte Pflanzenarten“ oder „gänzlich geschützte Tierarten“ namentlich genannt werden. Im Gebiet sind das sämtliche hier heimische Amphibien- und Reptilienarten – das sind gleich 9 Amphibien- und 6 Reptilienarten! Kein Gebiet im Umkreis von Wien ist bei diesen beiden Gruppen so artenreichen wie die Fischerwiesen! EU-weit geschützt sind Gelbbauchunke, Wechselkröte, Laubfrosch, Alpen-Kammmolch und Springfrosch, Mauereidechse, Smaragdeidechse, Schlingnatter und Äskulapnatter. Ebenso gehören z.B. Schwarzstorch, Weißrückenspecht, Breitflügelfledermaus und Zwergfledermaus und Bienen-Ragwurz zu den streng geschützten Arten.

Schließlich heißt es in §18 NÖ NSchG Artenschutz: (4) Es ist für die nach den Abs. 2 und 3 besonders geschützten Arten verboten: 3. Eier, Larven, Puppen oder Nester dieser Tiere oder ihre Nist-, Brut-, Laich- oder Zufluchtstätten zu beschädigen, zu zerstören oder wegzunehmen.

Dh drittens, dass die Ufer- und Unterwasservegetation – zu welchem Zweck sie betreten wurde, sei dahingestellt – sie hat extrem gelitten, geschont werden muss, weil die oben erwähnten Laich- und Zufluchtsstätten radikal dezimiert wurden.

Viertens wäre der „Problemkreis der diversen Hinterlassenschaften“, seien sie durch körperliche Bedürfnisse verursacht oder durch Bedürfnisse der mitunter seltsamen Art (die man zB zu befriedigen glaubt, indem man einen Gas-Griller dort hinaufschleppt). Müll in allen Varianten, abgerissene Bäume und zerstörte Laichplätze tun dem Gebiet einfach nicht gut.

Fünftens wissen auch viele, wie man sich in so einem Gebiet zu verhalten hat und tun das auch gerne, weil sie dieses Naturjuwel erhalten wollen – ganz herzliche Grüße und sorry für den Eingriff! Bleiben wir bitte im Gespräch!

Andererseits wird der See auf diversen Kanälen als Geheimtipp gehandelt, was uns zu viele Leute hier anschwemmt, die (noch) keine Ahnung haben, womit sie es hier zu tun haben und unbewusst und natürlich nicht absichtlich möglicherweise irreversiblen Schaden anrichten.

Sechsten sind wir mit all dem nun in eine Situation geraten, wo wir dem Natur- und Artenschutzgebiet eine Auszeit gönnen müssen. Es gilt zu retten, was noch zu retten ist, damit sich Fauna und Flora dort wieder gedeihlich entwickeln können.

Ich würde es ja „Natur- und Artenschutz-Park“ nennen, weil ich Park mit einer angenehm strömenden Frühlingsluft assoziiere. Aber ein Park provoziert auch, dass da Menschen lustwandeln. Die Vorstellung, so eine schöne Landschaft „nur“ den Tieren oder auch Pflanzen zum Lustwandeln zu überlassen, ist irgendwie wie nicht aus dieser Welt. Sie hat aber schon auch einen großen Charme! Mit einem schönen Potential! Stay tuned 🙂

Das Naturschutzgebiet Teufelstein-Fischerwiesen (rot) und die verfügbaren Wanderwege (gelb).

Update 23. Juli 2022 – Mit Anfang Juli wurde die ersten Maßnahmen umgesetzt. Ein Sicherheitsdienst wurde beauftragt und provisorisch ein Bauzaun aufgestellt. Ein Team von freiwillig Engagierten bemüht sich fast durchgehend um die nötige Aufklärungsarbeit.

Nach hunderten Gesprächen lassen sich grob zwei Gruppen von Gästen ausmachen:

Die Menschen aus der Nachbarschaft, die um die Bedeutung des Gebiets bereits einigermaßen Bescheid wissen und es dementsprechend zu schätzen wissen, ein ruhiges Naherholungsgebiet in der Nähe zu haben. Etliche davon wären auch bereit, sich dafür mehr zu engagieren.

Und die Menschen, die diesen „Geheimtipp“ irgendwo aufgeschnappt haben und sich das einmal anschauen wollen. Das Einzugsgebiet reicht über den ganzen Großraum Wien.

Für erstere habe ich einen E-Mail-Newsletter eingerichtet, der über die laufende Entwicklung informieren soll. Bestellt werden kann er durch ein formloses Mail an christian.apl at gruene.at

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Highway to Hell oder Pfade ins Paradies?

Unser Umgang mit dem Klimawandel braucht ein Narrativ – heißt es von allen Seiten.

Bisher dominieren zwei Erzählungen. Vor allem diejenige mit katastrophalem Ende schreckt viele ab, sich gründlicher mit der Klimawandelproblematik zu befassen, weswegen gesellschaftsweit das Klimabewusstsein noch eher schwach ausgeprägt ist.

Die andere Geschichte ist hingegen so zuckersüß und wohltuend, in Zeiten wie diesen so unwirklich natürlich, dass sich von vorne herein kaum ein Mensch vorstellen kann, dass das realistischerweise erreichbar ist. Siehe auch.

Es stehen sich also zwei Endszenarien gegenüber, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Einerseits führt unausweichlich eine breite Autobahn dorthin, und andererseits sind die Pfade dorthin noch nicht wirklich durchgängig sichtbar gemacht und ausreichend befestigt.

Wie würde ein Wanderer mit so einer Situation umgehen? Welche Landschaft würde der Aufgabenstellung gleichen?

Mir fällt da ein Vulkan ein, auf den schnurgerade eine vielspurige Autobahn hinauf- und hineinführt. Der Vulkan ist nur insoweit aktiv, als er einen Lavasee ausgebildet hat. Aber! Es gibt auch jede Menge Pfade links und rechts um den Vulkan herum, die ins gelobte Land dahinter führen. Für einen Wanderer eigentlich eine einfache Fragestellung. Er wird sicher nicht die Autobahn wählen…

Hier ein erster Versuch, das Setting bildlich darzustellen. Leider nur ganz skizzenhaft, weil meine Bildbearbeitungskünste zur Zeit sehr eingeschränkt sind. Aber vielleicht findet sich wer Begabter, die oder der das ausschmücken möchte 🙂

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2040 werden wir feiern oder…

Heute haben wir Freitag, den 20. November 2020. Österreich ist seit Dienstag im 2. Covid-19-Lockdown. Die Stimmung ist ausgeprägt novemberlich. An den Geschäften sind Schilder mit einer jeweils passenden Botschaft zu Corona. Die Gesichter sind grau, die meisten mit Sorgenringen unter den Augen. Aber es sind schon Impfstoffe in Sicht. Alles wartet. Viele hätten Zeit nachzudenken, einige tun das auch in die Tiefe gehend.

Wir haben in Perchtoldsdorf im September die Entwicklung einer Dekarbonisierungsstrategie für Perchtoldsdorf beschlossen. Nach einem fulimanten Initialworkshop, nachzuschauen auf Perchtoldsdorf TV, finden zur Zeit die Treffen der 10 Arbeitsgruppen statt, die bis 17. Dezember ihr Themenfeld für die weitere Behandlung aufbereiten.

Die Themenpalette ist ausgesprochen breit mit vielfältigen Überlappungen und wir versuchen gerade am Perchtoldsdorf 4 Future-Blog das viele bereits vorhandene Wissen sinnfällig zu strukturieren und für Perchtoldsdorf zu übersetzen. Das Ziel ist glasklar: wir müssen bis spätestens 2040 klimaneutral organisiert sein. Die Wege dorthin sind viele, von denen allerdings noch nicht alle so klar sind. Was bedeutet das eigentlich für uns als Gemeinde und was für jede einzelne?

Es zeichnet sich schon ab, dass die Erstellung bereichsweiser und auch individueller Dekarbonisierungspfade ein hilfreiches Instrument sein dürfte. Im Mobilitätsbereich könnte das – das ist bitte nur eine erste Skizze und noch kein fertiger Plan – so ausschauen:

Hier wurde der Ist-Zustand (links) mit dem Soll-Zustand (rechts) verbunden und man kann nun einen Zeitplan für zu setzende Maßnahmen erstellen, damit sich die Kurve auch tatsächlich wie erforderlich entwickelt.

So eine Art Pfad lässt sich auch für die anderen klimarelevanten Bereiche erstellen bzw. auch für Gebietskörperschaften beliebiger Größe bis zu den Nachbarschaften, Familien und Individuen. Jede Familie, jede Einzelperson könnte einen indivduellen Dekarbonisierungspfad erstellen und den bis 2040 in einer selbt gewählten Reihenfolge „abschreiten“.

Falls hier engagierte Programmierer*innen mitlesen: ein leicht handelbares Online-Tool, mit dem sich alle ihren persönlichen Dekarboniserungspfad zusammenstellen können, wäre ein echter Hit!

Auch sonst ist in den meisten Arbeitsgruppen schon ziemlich klar, was zu tun ist. Die Energie-AG scharrt schon in den Startlöchern eine Perchtoldsdorfer Energiegemeinschaft zu gründen, Konzepte zur Energieeffizienz gibt es, der Erhalt der Biodiversität muss stärker in den Fokus, die Gebäudesanierungsrate muss gesteigert werden etc. etc. Mehr Infos am Blog bei den Themen.

2040…

…soll Perchtoldsdorf also klimaneutral sein. Was wird dann sein? Wie wird es sich anfühlen? Wie wird es uns dann gehen?

Also unter der Annahme, dass 2040 nicht nur Perchtoldsdorf klimaneutral auftritt, sondern es auch global gelungen ist, dieses Ziel zu erreichen, könnte ich mir sehr gut vorstellen, dass sich zB die Geräuschkulisse im Freien geändert haben wird. Aus dem Dauerbrummen wird ein abwechslungsreiches Kaleidoskop aus Zwitschern, Bellen, Kinderlachen, Menschenstimmen, Werkeln und dazischen eingestreuten Oasen erholsamer Stille geworden sein. Die Luft wird sauber sein. Der Himmel unzerkratzt. Das Wasser rein. Alles wird entschleunigt sein und trotzdem oder gerade deswegen besser funktionieren. Wir werden wieder wissen, was wir essen und trinken. Wir werden Zeit haben, uns mit den wirklich notwendigen und interessanten Dingen zu beschäftigen. Es wird Frieden sein. Alle werden tun, was nötig ist. Im Ortsbild werden mehr Bäume sein und mehr Plätze, wo sich Menschen gerne treffen, und es wird Raum für ausgelassene Feste aller Art sein. Überall werden Lernorte sein! Besonders die Kinder werden überall spielend alles lernen. Ja, und der Perchtoldsdorfer Wehrturm wird dann schon 520 Jahre alt sein und die Weingärten prächtig gedeihen.

Ich weiß, das klingt alles zu schön, um wahr zu sein, aber wäre das nicht auch ohne die Nöte, die der Klimawandel mit sich bringt, ein erstrebenswertes Ziel? An sich schon, nur ist es für viele nicht ganz so dringlich, weil das ja auch hieße, die eigenen Gewohnheiten da oder dort entsprechend umzustellen.

Und da sind wir auch schon mitten im großen Leid aller Klima-Engagierten. Aus zahllosen Selbstexperimenten wissen sie, dass die Umstellung auch nur einer fix eingeübten Gewohnheit schon auch ein eigenes Projekt darstellen kann, das mituntern nicht gleich auf Anhieb gelingt. Verbote helfen da in der Regel wenig. Es braucht Alternativangebote. Auch davon gibt es schon unbeschreiblich viele. Es geht eigentlich nur darum, dass diese Angebote zur richtigen Zeit am richtigen Ort sind, besser gesagt die richtigen Personen erreichen. Der Aufbau einer Kommunikationsstruktur, die genau das kann, ist wohl das Gebot der Stunde.

Da tappen wir auch noch ziemlich im Dunkeln, weil sich nur schwer abschätzen lässt, was die derzeitige Kommunkationsstruktur schon leistet und wo sie verbessert werden muss. Da sich das für einen Einzelnen oder auch für eine einzige Gruppe praktisch nicht überblicken lässt, ist die Mithilfe von allen gefragt und gesucht. Helfen Sie bitte mit, nützliche Informationen zu den Menschen zu bringen, die sie gerade benötigen. Damit ist allen geholfen!

Ja, die friedliche Welt strahlt so eine große Heiterkeit und Gelassenheit und auch Trost aus, dass wir ihr uns auch entsprechend gemächlich angenähert haben, weil es ja so auch irgendwie geht und scheinbar nichts dagegen spricht, dass wir auch ohne größere Anstrengung dorthin kommen. Die Fakten liefern uns allerdings ausreichend Indizien, dass wir uns damit doch gehörig beeilen sollten.

Bis vor Kurzem wurde ja eher der Eindruck vermittelt, der Klimawandel fände irgendwo weit weit weg statt, bei den Eisbären am Nordpol oder bei den Korallen auf der anderen Seite der Erde. Tatsache ist aber, dass die Temperatur global steigt und der Klimawandel überall hin kommt. Somit auch zu uns.

Tatsache ist allerdings auch, dass niemand sagen kann, bei welcher höheren Temperatur sich ein neues Gleichgewicht einstellen wird. Die meisten Prognosen enden bei 2100. Wenn wir so weitertun wie bisher, werden da schon halbe Kontinente nicht mehr dauerhaft bewohnbar sein, weil es zu lange zu heiß wird.

Unser Organismus ist eine Verbrennungsmaschine und muss ständig Wärme abführen. Sonst beginnen bei etwa 41°C die ersten Enzyme zu denaturieren. D.h. bei solchen Außentemperaturen und einer Luftfeuchtigkeit von 100% kann die vom Körper produzierte Wärme nicht mehr via Verdunstung abgegegeben werden und unser Organismus überhitzt, was zu bleibenden Schäden führt.

Diese Kurve zeigt die Enzymaktivität in Abhängigkeit von der Temperatur. Wie man sieht gibt es einen Optimalwert und unsere Aufgabe ist es nun, die globale Mitteltemperaur so „einzustellen“, das möglichst viele (Organismen) im Optimalbereich leben können.

Enzymaktivität in Abhängigkeit von der Temperatur. Bei der Denaturierungstemperatur verliert das Enzym seine Aktivität.

Thats it. Es ist tatsächlich so „einfach“.

Falls Sie sich jetzt fragen, wo sie für sich am Besten anpacken können, möchte ich abermals auf den Perchtoldsdorf 4 Future-Blog verweisen. Dort gibt es Anknüpfpunkte zu den Themen, die Sie interessieren.

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Basisdemokratie!

Weil in meinem Umfeld jüngst das Thema Basisdemokratie wieder einmal hochgekocht ist, möchte ich hier kurz zusammenstellen, was ich zu dem Thema in den letzten 40 Jahre gelernt habe.

Learning #1 – jede*r versteht unter Demokratie etwas anderes. Dementsprechend schillert auch der Begriff Basisdemokratie im Alltagsgebrauch.

Learning #2 – Missverständnisse sind auch deswegen die Regel. Verständnis erfordert einen gewissen Einsatz mentaler Energie von allen Beteiligten.

Learning #3 – Basisdemokratische Strukturen wollen Beschlüsse herbeiführen, die von allen mitgetragen, zumindest aber nicht gestört werden.

Learning #4 – Vereinbarungen werden unter Personen getroffen. Es braucht zumindest zwei davon und sie müssen voneinander wissen und wissen, dass sie eine gleichlautende Vereinbarung getroffen haben.

Learning #5 – Von basisdemokratischen Strukturen wird erwartet, dass sich alle ganzheitlich einbringen können und so akzeptiert werden, wie sie sind.

Learning #6 – Aus der Einzigartigkeit der teilnehmenden Menschen und der dazugehörigen Respektierung der Würde jeder Seele ergeben sich bestimmte Vorgangsweisen, die basisdemokratische Strukturen anstreben.

Learning #7 – Jede Stimmt zählt, hat Gewicht und würde fehlen, wenn sie nicht an einem Beschluss mitwirkte.

Learning #8 – Die Größe des Demos (Anzahl der Mitglieder) und die einzelnen Teilnehmenden sind im Idealfall allen Teilnehmenden bekannt.

Learning #9 – Die einzelnen Stationen des Entscheidungsprozesses laufen in allen basisdemokratischen Strukturen ähnlich ab:

1. Jemand bringt einen Vorschlag ein.
2. Der Vorschlag wird in der Gruppe diskutiert.
3. Der Vorschlag wird gemäß Diskussion überarbeitet.
4. gehe mit dem überarbeiteten Vorschlag sooft zu Punkt 2 bis alle Beteiligten dem Vorschlag zustimmen können.
5. Mehr oder weniger feierliche Beschlussfassung.
6. Umsetzung.

Learning #10 – Für die Umsetzung des Beschlusses wird ein*e Maintainer*in gewählt.

Learning #11 – Es liegt in der Verantwortung der Maintainer*innen, wie der Beschluss umgesetzt wird.

Learning #12 – Ideale basisdemokratisch gekürte Maintainer*innen, nehmen mit der Verantwortung das Projekt ganzheitlich in die Hand, bringen es zeitnah und vollständig zum Abschluss und berichten der Basisgruppe nach Bedarf – wenn sie ungestört arbeiten können.

Learning #13 – Beschlüsse und Berichte sollten in Schriftform vorliegen, damit sie archiviert werden können. Nur die wenigsten merken sich irgendwann einmal gefasste, aber immer noch gültige Beschlüsse. Außerdem müssen sich neu zur Basisgruppe Hinzustoßende so gründlich informieren können, dass sie ggf. einem bereits getroffenen Beschluss beitreten können.

Learning #14 – Die Gruppe sollte jemanden erwählen, die oder der evaluiert und berichtet, was mit den Beschlüssen passiert ist.

Learning #15 – Basisdemokratische Strukturen können nur Beschlüsse über Themen fassen, die sie selbst betreffen. Wenn der Beschluss Menschen darüber hinaus betrifft, muss ein*e Maintainer*in beauftragt werden, um mit den Betroffenen das Einvernehmen herzustellen.

Learning #16 – Basisdemokratische Strukturen streben einstimmig gefasste Beschlüsse an.

Learning #17 – Basisdemokratische Strukturen können niemanden, die oder der nichts davon weiß bzw. gegen ihren oder seinen Willen, womit auch immer beauftragen.

Learning #18 – über etwaiges Vermögen basisdemokratischer Strukturen muss exakt Buch geführt werden. Dieses sollte regelmäßig zur Entlastung der Verantwortlichen der gesamten Gruppe vorgelegt werden.

Learning #19 – vermögensverändernde Aktionen müssen von der Basisgruppe beschlossen werden.

Learning #20 – Beschlüsse werden idealerweise unter persönlicher Anwesenheit aller Mitglieder getroffen. Nur falls das nicht möglich ist, können auch Videokonferenzen, virtuelle Abstimmungstools und Umlaufbeschlüsse per EMail oder Telefon organisiert werden – vorausgesetzt alle Teilnehmenden sind sich einig, welcher Kanal genutzt wird.

Learning #21 – alle Mitglieder einer Basisgruppe müssen über anstehende Beschlüsse zeitgerecht informiert werden und die Möglichkeit haben, vor Beschlussfassung eine Stellungnahme abzugeben.

Learning #22 – es ist schön und wunderbar, eigentlich atemberaubend fantastisch, wenn eine basisdemokratische Struktur ein Projekt vom ersten Keimling bis zum ausgewachsenen Baum zur Welt bringt 🙂

Learning #23 – basisdemokratische Arbeit ist persönlichkeitsbildend.

Learning #24 – es ist besser jemanden ausreden zu lassen, als ihr oder ihm ständig ins Wort zu fallen.

Learning #25 – Basisdemokrat*innen gehen sozial nachhaltig miteinander um. Sie hören zu und versuchen zu verstehen. Sie fragen deswegen auch oft nach, weil sie wissen, dass Missverständnisse die Regel sind.

Learning #26 – Basisdemokratie ist ein Grüner Grundwert.

Learning #27 – Ideale Basisdemokrat*innen wissen, was wann zu tun ist.

Learning #28 – Die Statuten der österreichischen Grünen sind sehr elaboriert.

Learning #29 – Auch in das Grundsatzprogramm der österreichischen Grünen aus 2001 sind eine große Vielzahl an basisdemokratischen Erfahrungen eingeflossen. Es beleuchtet in einem größeren Zusammenhang, warum Basisdemokratie Sinn macht.

Das einschlägige Zitat daraus:

d) basisdemokratisch

Basisdemokratie ist ein grundsätzliches Beteiligungsrecht der Menschen.

Demokratische Systeme sind nicht nur an ihren repräsentativen, sondern auch an den Möglichkeiten realer Teilhabe an den Entscheidungsprozessen des Gemeinwesens zu messen. Das bedeutet nicht, dass immer alle Entscheidungen von allen getroffen werden. Wesentlich ist, dass die Beteiligung von BürgerInnen an Entscheidungsprozessen auf möglichst vielen Ebenen gewährleistet wird.

Die institutionalisierten und konstitutionell geregelten Formen demokratischer Politik sind grundlegender Bestandteil der Demokratie. Demokratie kann aber nicht nur auf geregelte Verfahren, wie etwa Mehrheitsentscheidungen, reduziert werden.

Machtverhältnisse etwa müssen in einem fortwährenden Prozess immer wieder neu einer demokratischen Prüfung unterzogen werden. Zentrale gesellschaftliche Fragen können nicht allein mit Mehrheitsentscheidungen erledigt werden. Über derartige Fragen müssen gesellschaftliche Diskurse geführt und etwa alle realisierbaren Alternativen in einer für alle zugänglichen Öffentlichkeit dargestellt werden.

Notwendig ist die Herstellung eines gesellschaftlichen Grundkonsenses über demokratische Verfahren, damit z.B. in einer Abstimmung Unterliegende Mehrheitsbeschlüsse annehmen können.

Es geht also darum, einen Raum für Auseinandersetzungen und politische Entscheidungsprozesse zwischen den Parteien und zivilgesellschaftlichen AkteurInnen zu schaffen.

Dazu ist eine Verknüpfung der repräsentativen Demokratie mit gesellschaftlicher Mitbestimmung anzustreben und eine permanente Kommunikation zwischen MandatarInnen und der Bevölkerung. In dieser Zusammenarbeit entfaltet sich die Qualität des Demokratischen.

Dieses Demokratieverständnis findet aber nicht nur im gemeinsamen Entscheidungsprozess für die Grüne Politik ihren Ausdruck, sondern auch in der Parteistruktur. In diesem Sinne sehen sich die RepräsentantInnen der Grünen in allgemeinen Vertretungskörpern und Gremien für die Umsetzungen dieser Entscheidungen gegenüber der Partei und den zivilgesellschaftlichen AkteurInnen auch verantwortlich.

Learning #30 – Basisdemokratische Strukturen sind fraktal aufgebaut.

Learning #31 – Basisdemokratische Strukturen bilden gemeinsam einen Organismus. Sie sind die Feinstruktur der Demokratie.

Learning #32 – Demokratie lebt vom Dialog.

Learning #33 – Was alle angeht, können nur alle am Besten lösen.

Learning #34 – Politik ist immer auch ein Stück Pionierarbeit. Politisch Engagierte stehen mit einem Bein immer im Unbekannten.

Learning #35 – Demokratie ist eine Kulturleistung. Sie bedarf der ständigen Pflege.

Learning #36 – Nachhaltigkeit muss nach dem drei Säulen-Modell von 1992 ganzheitlich angestrebt werden.

Learning #37 – Die drei Säulen der Nachhaltigkeit sind: Ökologie, Ökonomie und Soziales.

Learning #38 – Soziale Nachhaltigkeit bedeutet, so miteinander umzugehen, dass die Menschen auch danach noch miteinander zu tun haben wollen.

Learning #39 – Wie wir miteinander umgehen, hängt vom Menschenbild ab.

Learning #40 – Wirklichkeit ist gestaltbar.

Gut. 40 Jahre, 40 Learnings. Ich lass es einmal dabei bewenden. Wahrscheinlich könnte ich für jedes Monat der letzten 40 Jahre ein Learning aufzählen 🙂

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Corona – die Krone der Krisen

Perspektiven nach einer Woche Quarantäne

In den letzten Tagen sind so viele Türen aufgegangen, haben sich so viele Möglichkeiten aufgetan, so viele Netzwerke eröffnet (c Lydia Mayer-Deisting), dass ich schlicht um Worte ringe. Das kam jetzt alles sehr plötzlich!

Die Schlagzeilen prasseln in einer atemberaubenden Dichte auf das staunende Individuum ein. Dabei ist jede einzelne in „normalen“ Zeiten schon eine Sensation für sich und würde ausgiebigst besprochen werden: Ölpreis unter $25! Autokonzerne stellen ihre Produktion ein! Flughäfen stellen ihren Betrieb ein! Glasklares Wasser in Venedig! Die Luftverschmutzung in der Po-Ebene nimmt ab! – Es wirkt wie das große Finale im schon völlig überhitzten Medienrauschen.

Alles schickt sich an anders zu werden.

Die Gesellschaft fährt global auf Notbetrieb herunter. Oder in anderen Worten: Die gesamte Menschheitsfamilie besinnt sich auf das Notwendigste. Nach 75 Jahren praktisch ungebremsten Wachstums ist dieses Innehalten und das „den großen Familienrat einberufen“ schon höchst an der Zeit. So eine Besinnungsphase wäre wahrscheinlich alle 5 bis 10 Jahre angezeigt.

Aber jetzt ist es das erste Mal global und praktisch synchron. In so einer Situation waren wir noch nicht. Jetzt ist echte Pionierarbeit angesagt. Wir müssen uns global verständigen, müssen Strukturen für eine globale Kooperation aufbauen und das ganze noch dazu sozial nachhaltig, sprich empathisch betreiben. Sonst wären wir gescheitert.

Ja, das heißt: es muss Friede sein. Wenn wir diese Chance nützen wollen, dann ist jetzt die einzigartige Gelegenheit, Konflikte gewaltfrei beizulegen. Dadurch werden gewaltige Ressourcen frei, die woanders sinnstiftender eingesetzt werden können. Z.B. massiv in den Aufbau von Vertrauen. Davon werden wir sehr viel brauchen, wie sich noch herausstellen wird.

Was ist das Notwendige?

Diese Generalfrage durchzieht derzeit alle Diskussionen. Es ist eine ausgesprochen wichtige Frage. Sie hilft Prioritäten zu setzen und die richtigen Entscheidungen zu treffen.

Glücklicherweise lassen sich die Notwendigkeiten aus den Lebensfunktionen leicht ableiten: notwendig ist saubere Luft zum Atmen, notwendig ist Wasser zum Trinken, notwendig sind Nahrungsmittel zum Essen. Notwendig sind immer auch andere Menschen! Und Gesundheit! Sachen zum Anziehen und ein Dach über dem Kopf sind nicht sofort unbedingt notwendig, aber über kurz oder lang recht praktisch, weil lebensfördernd. Ähnliches gilt auch für die Energieversorgung.

Luft. Die können wir glücklicherweise durch einfaches Nichtstun rein halten.

Wasser. Hier gibt es schon um einiges mehr zu tun. Ziel ist, dass alle Menschen Zugang zu sauberen Trinkwasser haben. Das ist eine Frage der Recherche, dann der Projektierungen und schließlich der Umsetzung. Wie das geht, wissen wir längst. Wir brauchen es nur noch tun.

Nahrung. Das ist schon ein wesentlich komplexeres Thema. Die Komplexität rührt von der Vielfalt der Nahrungsmittelquellen her. Diese Vielfalt verdankt sich den unterschiedlichsten Bedingungen jeweils vor Ort, die wiederum auf die Qualität der Böden unterschiedlich einwirken. Der Bodenqualität muss deshalb unsere größte Aufmerksamkeit gelten! Wo immer wir auch leben! Auch hier gibt es schon jede Menge Expertise, also Menschen, die wissen, was wo getan werden muss. Stichwort: es eröffnen sich Netzwerke.

Die Anderen. Entgegen anders verlautbarter Behauptungen sind Menschen von Grund auf kooperativ angelegt. Sprich: wir können das vom Prinzip her von ganz klein auf. Die Verherrlichung des Einzelkämpfertums hat ein wenig den Blick darauf verstellt, dass wir Menschen nicht ohneeinander sein können. Dabei gilt das völlige Gegenteil: Wir können nur miteinander! Sonst geht gar nichts! An die Grundbedürfnisse, die unser Überleben definieren, ist deswegen das soziale Grundbedürfnis nahtlos anzureihen.

Gesundheit. Der zentrale lebensbegleitende Bereich, wo wir auf empathische Kooperation angewiesen sind.

Gelingt es diese Grundbedürfnisse zu stillen, ist der Fortbestand der Menschheit einmal einigermaßen gesichert. Aber je besser es uns gelingt, uns in der Stillung der Grundbedürfnisse zu koordinieren, umso mehr Zeit bleibt, den Fortbestand noch besser abzusichern. Die frei gewordene Zeit kann genutzt werden, um die sekundären Grundbedürfnisse, also Kleidung, Wohnung und Mobilität zu decken.

Energie. Spätestens hier muss uns die Frage beschäftigen, welche Energieformen wir brauchen und welche Energiequellen wir verwenden wollen. Die letzten 200 Jahre haben wir fast vollständig auf fossile Energieträger gesetzt. Es ist uns gelungen, derart viel Energie nutzbar zu machen, dass sich die Entwicklung der Menschheit rasantest beschleunigte. Die Energiemenge, die wir bis vor kurzem aus fossilen Energieträgern gewannen, könnte in Kalorien umgerechnet etwa 100 Milliarden Menschen ernähren. Ja, das Gefühl der Überbevölkerung kommt nicht von ungefähr. Es sind aber nicht die Menschen, die zu viele sind! Es sind die Maschinen, die auch gefüttert werden wollen! Und Übergewicht ist nicht nur ein menschliches Problem. Auch viele Maschinen „leiden“ bereits darunter.

Sonne. Licht und Wärme ist ebenso ein überlebensnotwendiges Grundbedürfnis. Glücklicherweise liefert uns die Sonne in Überfülle davon, nämlich ein zig-Faches vom bis vor Kurzem aktuellen, globalen Energiebedarf. Und sie schickt auch keine Rechnung. Es wird sich ebenfalls noch herausstellen, was das bedeutet.

Zeit. Die wohl wichtigste Ressource überhaupt. Und vielleicht gelingt es hier endlich, den längst anstehenden Paradigmenwechsel durchzuziehen. „Zeit ist Vertrauen“ könnte das „Zeit ist Geld“ ablösen! Im Grunde ist Geld ja nur zertifiziertes Vertrauen. Eigentlich eine Krücke, damit jeder sicher sein kann, dass die eingebrachten Beiträge auch abgegolten werden. Wenn es selbstverständlich ist, dass alle bekommen, was sie brauchen, würde wiederum Zeit frei werden, die heute noch in Verrechnung und Buchhaltung und das ganze rundherum gesteckt werden muss. Vertrauen eröffnet darüber hinaus völlig neue Möglichkeiten, die mit Geld ohnehin nicht bezahlbar sind!

Und dann wird alles anders…

Statt mit Geld wird mit Dank bezahlt. Alle können nach eigenem Gusto Dank-Millionäre werden und hemmungslos Dank sammeln. Das hieße auch die Gier auf die richtigen Mühlen umleiten.

Statt Ablenkung wird Aufmerksamkeit Raum gewinnen. Menschen werden in der Begegnung wieder Subjekte. Und dann ist alles möglich. Wenn sich zum Vertrauen die Aufmerksamkeit gesellt, kann man vielleicht sogar schon von Liebe sprechen. Und was soll uns dann noch passieren?

Diesen Text möcht ich all den lieben Menschen widmen, die ich die letzten Tage kennen lernen durfte, und besonders jenen, wo sich die Kooperation schlagartig intensiviert hat. Danke, dass es Euch alle gibt!

Besprochen wird der Text unter anderem hier: https://www.facebook.com/christian.apl.106/posts/119611239645968

PS: Soundtrack einschalten! 🙂

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44 Tonnen!

Bei der Pariser Klimaschutzkonferenz COP21 wurde 2015 ein völkerrechtlich verbindlicher Vertrag beschlossen, wonach die Erderwärmung auf deutlich unter 2°C im Vergleich zum vorindustriellen Niveau begrenzt werden soll. Angestrebt wird, sie auf maximal 1,5°C zu beschränken.

Nun kann ausgerechnet werden, wieviel CO2 global höchstens noch in die Atmosphäre entlassen werden darf, wenn dieses Ziel eingehalten werden soll. Stand heute sind es etwa 342 Milliarden Tonnen:

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Dieses globale CO2-Budget ist bei einem Betrieb „weiter wie bisher“ also in etwas über 8 Jahren aufgebraucht.

Zum gleichen Zeitpunkt leben 7,75 Milliarden Menschen auf der Erde. Damit ergibt sich für jeden Menschen ein individuelles CO2-Budget von etwa 44 Tonnen.

Da die Länder unterschiedlich viel CO2 pro Kopf ausstoßen, hängt es vom jeweiligen Land ab, wie lange dieses individuelle CO2-Budget noch reicht. 2018 betrug der durchschnittliche CO2-Ausstoß pro Kopf in Österreich beispielsweise 8,16 Tonnen. Wenn also nichts unternommen wird, haben die Österreicherinnen und Österreicher ihre Reserve in nicht einmal 5,5 Jahren aufgebraucht.

Unberücksichtigt bleibt in dieser Rechnung freilich der historische CO2-Eintrag. Dadurch würde sich das CO2-Budget der Industrieländer nochmals deutlich reduzieren. Es ist aber auch so völlig klar, dass sofort auf allen Ebenen Maßnahmen eingeleitet werden müssen.

Die Aufgabe ist einfach formuliert: Alle Prozesse, durch die Erdöl, Erdgas und Kohle letztlich in CO2 umgewandelt werden, sind einzustellen.

Es gibt mittlerweile ein großes Angebot an CO2-Rechnern, mit deren Hilfe man ein Gefühl dafür bekommt, wo wieviel CO2 freigesetzt wird. Eine Flugreise von München nach New York und wieder zurück trägt beispielsweise etwa 3 Tonnen CO2 ein.

Ob unsere Bemühungen erfolgreich sind, kann gemessen werden. Dazu müsste an dieser Kurve, die die CO2-Konzentration in der Atmosphäre darstellt, eine deutliche Trendumkehr erkennbar sein:

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Der Kanäle-Wahnsinn

Ja, früher war alles einfacher, übersichtlich und alle wussten, wies geht. Es ging nämlich so: Name, Adresse und Telefonnummer hatten so gut wie alle. Für den Einzelnen ergab sich eine meist so überschaubar Liste, dass man sie leicht jedes Jahr händisch abschreiben konnte, falls das überhaupt nötig war, weil sich eh nichts geändert hat. Wenn mensch eine Gruppe von Menschen erreichen wollte, wurde die Liste hervorgeholt (heute würde man: verflixt, wo hab ich das gespeichert und „Datei öffnen“ zu diesem Vorgang sagen), und dann galt es nur noch sie fein säuberlich abzuarbeiten.

Man wusste automatisch, wen man persönlich ansprechen musste, wen man telefonisch wann am Besten erreichte und wem man zur Not einen Brief schicken musste. Ganz früher war es auch durchaus üblich, völlig unangekündigt in der Tür zu stehen, gnadenlos spontan und unvorbereitet zu irgendeiner Unternehmung einzuladen und gemeinsam zur nächsten Tür zu ziehen. Heute: völlig unvorstellbar, also zumindest physisch.

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Irgendwann kam dann bei den meisten noch eine Email-Adresse dazu. Sich einen weiteren Kommunikationskanal (außer persönlich, telefonisch oder brieflich) dazu zu denken fiel angesichts der Zeitersparnis der in den meisten Fällen geschickt eingesetzten Email-Kommunikation nicht schwer. Es ging auch ein paar Jahre erfreulich gut. In der Euphorie ging das Auftauchen eines weiteren Kommunikationskanals, der SMS nämlich, fast unter. Als wir das mit dem Email so locker flockig hinbekommen haben, schnupften wir das SMSen im Vorbeigehen.

Doch dann brachen mit Facebook (bei mir) die Social Media wie eine nicht enden wollende Lawine herein und die Anzahl verfügbarer Kommunikationskanäle explodierte regelrecht.

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Wenn ich heute mit einer bestimmten Gruppe etwas unternehmen möchte, muss ich mich zuerst einmal mit der Frage beschäftigen, welche Gruppe ich jetzt ansprechen möchte. Ja, mit der Vielfalt an Kanälen ist scheinbar auch die Vielfalt der Gruppen gewachsen. „Früher“ hat es vielleicht zwei, drei fixe Gruppen gegeben, die Familie, den Freundeskreis und die sonstigen Bekannten. Das war gut eingeübt. Heute muss ich erst die passenden Gruppen identifizieren und dann auch noch wissen, über welchen Kanal sie kommunizieren! Persönliches Gespräch? Telefon? Brief? Email? SMS? Blog? Facebook? Twitter? Whatsapp? Signal? Trello? Human Connection? Instagram? Telegram? Youtube? Vimeo? GoogleIrgendwas? Steam? TicTac? Hashtag? oder #verfluchtwiehießdieappdochgleich?

Verschärft wird das naturgemäß von den verschiedenen Geschwindigkeiten und Vorlieben: Die einen haben schon, die anderen noch nicht. Die einen sind schon einen Schritt weiter, die anderen wollen gar nicht. Und alles womöglich noch in einer Familien. Vom Freundes- und Bekanntenkreis ganz zu schweigen.

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Für einen wie mich, der auch leidenschaftlich und beruflich gerne auf Augenhöhe mit (vielen) Menschen zu tun hat, tut sich da ein Horrorszenario auf. Es ist mir jetzt zB schon öfter passiert, dass ich eine Nachricht in den völlig falschen Kanal geschickt habe, was immer wieder zu tiefgreifenderen Irritationen zu führen drohte. Und es ist auch gar nicht mehr leicht, alle zu informieren, die informiert gehörten. Früher: ein Email und alle wussten Bescheid. Heute: drei Mail, zwei SMS, drei Whatsapp-Gruppen, x Facebook-Guppen, eine Facebook-Veranstaltung aufsetzen, einen Blogeintrag womöglich mit Fotos, eine Karte auf Trello anlegen, ein Video ins Netz stellen und am besten noch einen Audiobeitrag hintennach, aja, die Presseaussendung und der Homepage-Artikel wären auch noch und dann gleich Postwurf und Plakate und die Damen und Herren anrufen, deren Namen man sich während eines Telefonats auf ein Post-it geschrieben hat, das da sicher vor einem irgendwo in den Papierhaufen am Schreibtisch herumwandert. Leute!

Ich mag die Demokratie ja, aber…

Das kann so nicht auf Dauer funktionieren! Ich bin von einem Schäferhund geprägt und miterzogen worden, der immer darauf geschaut hat, dass alle beieinander bleiben und niemand verloren geht. Wenn wir als Familie gemütlich spazieren waren, hat er ungefähr die sechsfache Distanz zurückgelegt, weil er uns ständig umkreiste. Nämlich auch, wenn sich die Gruppe in mehrere kleine mit noch dazu unterschiedlicher Geschwindigkeit auflöste. Da konnten die Kreise schon ziemlich sehr langgezogen sein, deren Länge übrigens auch an der heraushängenden Zunge abgelesen werden konnte. Die Sache wird nämlich immer anstrengender und zeitintensiver. Wollt ich nur mal zu Protokoll gegeben haben 🙂

Nein, auf die Schnelle weiß ich auch keine Lösung, aber wir sollten zumindest darüber nachdenken.

Ich such jetzt mal ein passendes Bild zu diesem Blogeintrag…

Voila:
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Grün oder nicht grün?

Das ist schön langsam eine wichtige Frage.

Unlängst flatterte über mein Facebook eine Meldung herein, die ich für ausgesprochen teilenswert halte:

Protestaktion beim Flugverkehrsgipfel

Besonders motiviert hat mich zusätzlich die ausgesprochen informative Lektüre dieser Broschüre:

Titelblatt Grünes Fliegen

So sehr, dass ich den Post schon teilte, bevor ich die Broschüre fertig gelesen habe, was ich mir normalerweise verbiete. Und prompt lese ich auch schon Sätze wie: „Die grünen Pläne sind wenig realistisch.“ Oder: „Die allermeisten grünen Strategien lassen einen Großteil der Klimaeffekte, die der Flugverkehr verursacht, außer Acht.“ Oder: „Grüne Strategien führen zu neuen Problemen und sind neo-kolonial“ und dann noch „So manche Umweltschützer*innen und Grüne Parteien befürworten die grünen Strategien mit dem Argument, sie seien „besser als gar nichts“.“

Hm, und was soll ich als Grüner dazu sagen?

Erst einmal ist interessant wie greenwashing und greenbashing ineinandergreifen, manchmal sogar Hand-in-Hand daherkommen. Man könnte auch den Eindruck gewinnen, das eine sei durch einen bloßen Tippfehler aus dem anderen entstanden, was einen reichlich perfiden Beigeschmack hätte. Das wäre auch eine ziemlich geniale Divide et impera-Strategie. Wie soll man auch als sich grün Fühlender eine Broschüre weiter empfehlen, mit der man sich irgendwie ins eigene Knie schießt? Die Problematik ist ohnehin schwierig genug, dass wirklich alle mit anpacken müssen und es ist nicht hilfreich, eigentlich Verbündete derart vor den Kopf zu stoßen.

Grünes Fliegen gibt es nach heutigem Kenntnisstand nicht. Punkt. Deswegen ist schon die Wortschöpfung hochgradig irreführend. Das ist genauso blödsinnig wie die tägliche Nacht oder das süße Salz.

Grün steht für mich für einen ganzheitlichen Ansatz, der auch seit Anbeginn der Grünbewegung deren Anspruch war und immer noch selbstverständlich ist. So selbstverständlich, dass viele Grünbewegte gar nicht oder zu leise widersprachen, wie das Wort „grün“ immer öfter in Zusammenhängen auftauchten, die mit grün absolut nichts am Hut haben. Das immer beliebter werdende „greenlabeling“ in allen Schattierungen ist einerseits auf die viele Bewusstseinsarbeit der Grünbewegten davor zurückzuführen. Andererseits hat der immer öfter vorkommende Missbrauch zurecht aber auch die Kritikerinnen und Kritiker auf den Plan gerufen, die engagiert Greenwashing-Aktionen aufdecken.

Ob unbewusst oder nicht hat sich die Kritik aber langsam vom Fokus „washing“ hin zum Fokus „green“ verlagert, was reichlich fatal ist, weil nun die eigenen Verbündeten ins Schussfeld gelangen. Gerade die ur-Grünbewegten haben ein intensives Interesse daran, dass ihr Name nicht für Zwecke missbraucht wird, die ihren Zielen krass widersprechen. Wenn ich auf der Suche nach Verbündeten wäre, wäre das mein Zielgruppe Nr. 1. Stattdessen wirft man diese über Jahrzehnte gesammelte Expertise einfach weg, wie es scheint…

Aber wir müssen eh alle weiterkämpfen, das vor uns liegende Problem ist ein Gebirge, wo genug Platz zum Arbeiten für alle ist. Wär halt fein, wenn wir zuerst die Menschen evakuieren, bevor ihnen versehentlich der Boden unter den Füßen weggegraben wird 🙂

 

 

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Das Interview

Eines Tages flatterte ein E-Mail von Hermann-Josef Düppenbecker herein, ob ich bereit für ein Interview wäre. Er „möchte die sympathische Marktgemeinde Perchtoldsdorf über regionale, nationale und internationale Medien und Publikation noch bekannter machen und stets in Erinnerung bringen.“ Er mache eine Interview-Serie mit Perchtoldsdorfer Persönlichkeiten. Interessant, das schau ich mir einmal an, dachte ich mir. Wir vereinbarten einen Termin, schließlich wurde es Freitag der 27. April, 10:00 Uhr bei Bibi Drexler. Es war ein herrlicher Frühlingstag und ich freute mich auf ein interessantes Gespräch.

Allerdings zeichnete sich schon bei der Anreise, natürlich per Rad ab, dass das Gespräch nicht ganz unter dem glücklichsten Stern stehen sollte. Hermann rief an und teilte bedauernd mit, dass er sich verspäten würde, weil der Bus irgendwo falsch abgebogen war oder so ähnlich. Überhaupt kein Problem, ich wollte ohnehin noch einiges in mein Notizbuch schreiben und einen Kaffee gibts bei Bibi auch, die Welt ist praktisch gerettet.

Schließlich hatte Hermann es geschafft und wir konnten loslegen. Dann wiederum waren die akustischen Verhältnisse nicht ganz optimal und die Kommunikation gestaltete sich etwas schwierig. Wir verblieben schließlich so, dass ich ihm das Interview nach der Vorlage von bereits absolvierten Interviews schicken soll, wie z.B. das mit Andrea Kö. Ich hätte aber völlig freie Hand, auf welche Fragen ich eingehen soll.

Jetzt steh ich vor dem seltsamen Problem, mir Fragen ausdenken zu müssen, auf die ich auch sinnige Antworten geben soll. Was interessiert die Menschen wirklich? Ich kann mir zB nicht vorstellen, ob es für irgend jemanden einen tieferen Informationswert hat, wenn ich bekannt gebe, was ich am liebsten esse. Das ändert sich bei mir eigentlich laufend, es gibt in der Kulinarik so viele Dinge zu entdecken! Ich geb zu, diese Einstellung hatte ich nicht immer. Ich war schon Jahrzehntelang mehr gewohnheitstiermäßig unterwegs, Hauptsache ordentlich satt. Aber seit ich mich mit Politik intensiver beschäftige, insbesondere, seit ich im Grünen Projekt mitarbeite, war ich gewissermaßen auch berufsmäßig motiviert, mich mit meinen Gewohnheiten auseinanderzusetzen und das eine oder andere zu hinterfragen und schießlich gegebenenfalls nach zu justieren. Das ist ein immer noch anhaltender Prozess, macht aber Spaß und tut im Endeffekt gut.

Ich hör jetzt den Hermann fragen: Und seit wann bist du schon im Grünen Projekt aktiv?

Antwort: Das ist Schritt für Schritt gegangen und es ist schwer zu sagen, wann der konkrete Zeitpunkt war, wo ich mich bewusst dafür entschieden habe. Da hat es ein paar Ereignisse gegeben, die mein politisches Bewusstsein nach und nach wach geküsst haben. Eine erste  Andeutung war wahrscheinlich die Ermordung John Lennons 1980. Das war überhaupt ein schreckliches Jahr. Da schreib ich in der Pension vielleicht noch ein Buch darüber. Ein weiteres schwerwiegendes Ereignis war dann Tschernobyl 1986. Wir waren da gerade voll mit der Familiengründung beschäftigt. Sohn Richard war gut zwei, Tochter Sigrid schon unterwegs. Der Moment, wo mir einschoss, dass da irgendwo irgendwelche Entscheidungen getroffen wurden, die jetzt unmittelbar in meines und das Leben meiner Familie eingreifen, und ich keine Möglichkeit hatte, darauf Einfluss zu nehmen, war gewiss prägend.

Dann noch das Lichtermeer 1992. Das war in seiner Dimension und dem Spirit, in dem es stattfand, sehr inspirierend und mutmachend. Als schließlich Haider mit seiner FPÖ 1994 das erste Mal mit über 20% in den Nationalrat einzog, war es politisch wohl endgültig um mich geschehen und ich begann die ersten Weichen in meiner Biografie bewusst zu stellen. Ich gründete 1995 mit lieben Freunden die Demokratie Initiative Perchtoldsdorf und begann in Wien Politik und Geschichte zu studieren, das war damals noch kombinationspflichtig. Alles ging gut, bis 2000 Schwarz-Blau I an die Regierung kam. Ab da wurde es dann ziemlich turbulent in meinem Lebenslauf, weil wir ein Jahr zuvor schon die Humanistische Plattform gegründet hatten und mitten in den Vorbereitungen für die 1. Visionale, die Messe der Initiativen und Organisationen der Zivilgesellschaft steckten. Ich war dann mit einer ganzen Reihe von Projekten und Events beschäftigt und würde das wohl heute noch machen, wenn wir nicht 2005 gleich mit 3 Mandaten erstmals in den Perchtoldsdorfer Gemeinderat eingezogen wären. Man könnte sagen, spätestens ab da war ich dem Grünen Projekt mit Haut und Haar verfallen.

Hermann: Und was habt ihr seitdem im Gemeinderat bewirkt?

Antwort: Da könnt ich jetzt eine lange lange Liste aufzählen, da gibts große und kleine Highlights. Ich freu mich zB jedes Mal, wenn ich in den Ort hinauffahre, über die kleine gepflastere Ecke beim Ökobilla, wo man jetzt nicht mehr mit dem Rad durch den Gatsch fahren oder ein seltsames Eck schlagen muss. Oder wenn ich die junge Hainbuche bei der Spitalskirche sehe, die prächtig gedeiht. Das sind freilich nur Kleinigkeiten, aber sie haben ihre Wirkung, wenn man ein bissl offen ist.

Unser Einzug in den Gemeinderat hat sicher auch eine Art positiven Kulturschock bewirkt. Das Einvernehmen mit unserem Bürgermeister, der damals gerade 2, 3 Jahr im Amt war, war von Anfang an ausgesprochen konstruktiv und ich glaub, er war sogar ein bisschen froh, dass er Unterstützung für bestimmte Vorhaben bekam. Ohne dieses Einvernehmen würde zB die Burg vielleicht anders ausschauen und die Gemeindefinanzen würden vielleicht noch schlechter dastehen. Da schätze ich seine Offenheit gegenüber neuen Ansätzen und Projekt doch sehr. Ein frühes Beispiel dafür ist das Sozialpolitische Leitbild, das Andrea Kö und ich initiiert und durchgetragen haben. Auch Andrea schätze ich sehr und wir können sehr gut miteinander arbeiten. Aktuell sind wir im parteiübergreifenden Fairtrade-Arbeitskreis engagiert.

Neu war 2005 auch, dass es im Gemeinderat erstmals einen Nachhaltigkeitsausschuss gab – ich hatte gar nicht damit gerechnet, dass ich gleich den gschäftsführenden Gemeinderat machen muss/kann – der dann 2010 den Schwerpunkt Mobilität dazubekam. Das war ein sehr logisches und klares Zeichen, dass es künftig nicht nur um den Verkehr geht, sondern um alle Bewegungen im Öffentlichen Raum. Im Mobilitätsleitbild 2012 wurde diese neue Herangehensweise dann in einem partizipativen Prozess ausformuliert. Gehen, Radfahren und der Öffentliche Verkehr sollen, wo es nur geht, gefördert werden. Vieles, was seither geschah, ist am eigens dazu eingerichteten Perchtoldsdorfer Mobilitätsblog nachzulesen. Hier versuche ich laufende Aktivitäten und Diskussionen aktuell zu dokumentieren. Was nicht immer ganz einfach ist. Da muss man sehr genau abwägen, wann was rauskann, um laufende Verhandlungen nicht vorschnell zu gefährden bzw. möglichst in die richtige Richtung zu lenken. Das hat auch ein bisschen was von einem Schachspiel. Aber mit würdigen „Gegnern“ wird da eine schöne Partie daraus. Sprich es kommt für Perchtoldsdorf insgesamt etwas Würdiges heraus. Wer gewinnt oder verliert ist da zweitrangig.

Vielleicht sollte ich an dieser Stelle dazu sagen, dass ich das Glück hatte, von etlichen LehrmeisterInnen die Perchtoldsdorfer Gemeinde- und Regionalpolitik in ihren Tiefen zu erfahren. Die Altbürgermeister Heiduschka und Ludwig zähl ich da genauso dazu, wie den ausgesprochen umtriebigen Hans Karl Uhl. Oder Franz Kamtner, Brigitte Stiedl, Rainer Mayerl und freilich auch Hofrat Plessl. Nie werde ich den Augenblick vergessen, als mir Ludwig seinen Finger auf die Brust klopfte und meinte: Du musst kämpfen! Wir haben uns daraufhin wortlos verstanden 🙂

Hermann: Und auf welches Projekt bis du besonders stolz?

Antwort: Eindeutig Tram on Demand! Das war und ist immer noch ziemlich anspruchsvoll. Wir sind da in einem ersten fulminanten Anlauf ebenso fulminant gescheitert, aber es wird sicherlich dazu beigetragen haben, dass die Gemeinde letztlich die Trasse der Kaltenleutgebner Bahn erwarb und dass der Verein Kaltenleutgebner Bahn wieder seine Nostalgierfahrten durchführen kann. Es gab letztlich einen einstimmigen Gemeinderatsbeschluss, um die Trasse mitsamt den Schienen als Verkehrsband zu erhalten.

Hermann: Tram on was?

Tram on Demand - Fotomontage

Antwort: Ja, das soll eine Straßenbahn werden, die auf die zeitgemäßen Mobilitätsansprüche optimal und mit der aktuell verfügbaren Technologie eingeht. Kleine Kabinen, akkugespeist elektrisch, leise und emissionsarm betrieben, dafür in höherer Freqeunz und rund um die Uhr verfügbar. Das hat immer noch Leuchtturmqualitäten, obwohl die Idee schon aus 2013 stammt. Aber die hat damals so eingeschlagen, dass sich in kürzester Zeit ein gut 40-köpfiges Projektteam zusammengefunden hat und mehrere Förderanträge ausgearbeitet wurden. Die Idee war nämlich die, über ein gefördertes Forschungsprojekt die nötigen Startinvestitionen aufzustellen bzw. anzudriggern. Und wir sind nach wie vor alle davon überzeugt, dass das ein Projekt wäre, das der österreichischen Klima- und Energiestratgie sehr gut zu Gesicht stünde.

Das hätte sich auch günstig gefügt. Die Trasse ist jetzt bis auf die Nostalgiefahrten ungenützt und stünde für Test- und Entwicklungsfahrten aller Art zur Verfügung. Aus dem Forschungsprojekt könnte nach und nach, mehr oder weniger fließend ein allseits angenommenes Öffentliches Verkehrsmittel werden, also eines, das diesen Namen auch verdient. Mit der Kaltenleutgebner Bahn als Basis kann man, wenn es gut funktioniert, auch darüber nachdenken, den alten 360er wieder auferstehen zu lassen. Mittlerweile haben auch alle eingesehen, dass es ein schwerer raumordnungspolitischer Fehler war 1967 den 360er einzustellen und darüber hinaus die Trasse auf- und teilweise verbauen zu lassen. Der politische Wille wäre grundsätzlich da, allein mit der Finanzierung tun wir uns noch sehr schwer. Bis hierher konnten wir die Geschichte weitgehend ehrenamtlich bewältigen, aber zur weiteren Entwicklung müssen echte Profis ans Werk, die natürlich auch einmal bezahlt werden wollen. Selbst ein Crowdfunding einzurichten geht schon auf Dauer nicht ganz ehrenamtlich. Da bin ich jedenfalls für alle Vorschläge offen. Wenn es in dem Punkt nicht gelingt entscheidende Fortschritte zu erzielen, bleibt das ganze Projekt auf der Strecke hängen. Und da wäre echt schade drum!

Hermann: Und wieviel ist das in Euros?

Antwort: Ha! Die scheinbar spannendeste aller Fragen! An die Antwort kann man sich derweil leider nur annähern. Das hängt auch davon ab, wie schnell es vorangeht. Je mehr Mittel eingesetzt werden können, umso schneller gehts logischerweise voran. Mit sparsamen 3 Millionen Euros ließe sich das Projekt z.B. aber schon so weit vorantreiben, dass es Sinn macht, über weitere Entwicklungsschritte nachzudenken. Um eine Milliarde kann man sicher auch die kleinste Gemeinde im Bezirk erschließen. Irgendetwas dazwischen wird es wohl werden.

Hermann: Klingt ja sehr spannend! Zum Abschluss noch: Wo siehst du die Zukunft der Grünen?

Antwort: Ja, das ist momentan gerade ein anderes Megaprojekt, wo es heftig zur Sache geht. Nach dem Grünen Katastrophenjahr – so ein Unwetter hab ich auch noch nie erlebt – haben wir jetzt allerdings die tolle Gelegenheit, uns von Grund auf neu aufzustellen und frisch zu ergrünen. Da ist mental einiges in Bewegung, das sich sicher auch auf die Gemeindepolitik auswirken wird. Aktuell arbeiten wir z.B. heftig an einem Regionalkongress zum Thema „Zukunft gestalten“ am 25. Mai 2018 in der Mödlinger Stadtgalerie. Hier manchen wir eine Bestandsaufnahme, wo es im Grünen Projekt überall zu tun gibt und versuchen die Andockstellen sichtbar zu machen, damit sich die, die mittun wollen, leichter tun, das für sie passende Platzerl zu finden. Die Lage insgesamt ist angespannt und wir müssen alle Kräfte mobilisieren! Mit diesem ersten Übersichtsplan bin ich gerade rechtzeitig zur Bewerbung fertig geworden:

Die große Grüne Mindmap mit Hintergrund 2

Würde mich sehr freuen, auch Dich dort begrüßen zu dürfen und möchte hiermit eine herzliche Einladung aussprechen!

Hermann: Danke schön! Da bin ich schon sehr neugierig 🙂

Und danke für das Gespräch!

Christian: Ich danke! Stehe für weitere und vertiefende Fragen gerne zur Verfügung!

 

 

 

 

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Fabian Scheidler in Mödling

Fabian Scheidler 2017 11 23 Mail

Liebe Leute,

Fabian Scheidler ist wohl so etwas wie der neue Hugo Portisch. Ein Welterklärer, der geopolitische Vorgänge wie kein zweiter brillant von der Wurzel her, historisch fundiert aufschlüsseln und allgemein verständlich erzählen kann. Und der darüber hinaus nicht in der Analyse und Diagnose stecken geblieben ist, sondern besonders auch in seinem jüngsten Werk eine Reihe von Lösungsansätzen aufzeigt, die die Hoffnung lebendig halten, dass wir aus diesen multiplen Krisen doch noch irgendwie herauskommen bzw. die zu befürchtenden Schäden für die allermeisten erträglich abmildern können.

Gewiss die Neigung sich dem Fatalismus hinzugeben ist heutzutage schon beängstigend allgegenwärtig. Den Klimawandel, die ökologische Krisen doch noch irgendwie abzufangen, scheint an dumpfer Gewohnheit und satter Bequemlichkeit zu scheitern. Wer gegen das immer größer werdende Ungleichgewicht innerhalb unserer Gesellschaften ankämpft, wo wenige mit dem nötigen Kleingeld sich praktisch jeden Einfluss kaufen können, sieht sich einem Propaganda-Tsunami gegenüber, der einem das Blut in den Adern gefrieren lässt. Die Angriffe auf menschenrechtliche Errungenschaften werden immer unverfrorener. Der vollständige Sieg jener, die die Gesellschaft atomisiert sehen wollen, zerhackt in Milliarden leicht zu manipulierender Einzelteile, scheint schon in greifbare Nähe gerückt zu sein. Margret Thatchers „there’s no such thing as society“ war keine Behauptung sondern ein Befehl, der schon fast endgültig vollzogen ist.

Aber haben es unsere Kinder wirklich verdient, in einer menschlich derart kalten Welt zu leben? Wo das Subjekt, der Mensch an sich, fast jede Bedeutung verloren hat und nur mehr das Verwertbare am Menschen zählt, wo alles Unbekannte Ding oder Feind sein muss? Wo nicht mehr viel fehlt und jeder Kuss verrechnet wird? Und wie kommen überhaupt all die Lebewesen, die unseren Planeten bevölkern, dazu, an unserem Müll zu ersticken, von unseren Ausscheidungen vergiftet und in immer kleinere Lebensräume zurückgedrängt zu werden, bis sie schließlich dort auch noch in die Fänge der „Megamaschine“ geraten und komplett ausgelöscht werden?

Ja, ich weiß, es ist eine gigantische Zumutung! Wie kommen schließlich all die vielen im Grunde Unschuldigen eigentlich dazu, die bereits angerichteten immensen Schäden zu beseitigen? Wie kommen sie dazu, ihre Lebenszeit damit zu verbringen, hinter den Gierigen herzuräumen, um die realen und mentalen Landschaften wieder von all dem teils toxischen Unrat frei zu machen? Wie kommen wir dazu, die realen und mentalen Böden entgiften zu müssen und sie wieder lebendig und urbar zu machen? Ok, ich geb’s zu, das jetzt fällige „Bewusstseinsaufforstungsprogramm“ hat auch etwa Euphorisierendes – noch nie hat es so viel Sinn gestiftet, das jetzt in Angriff zu nehmen!

Umso mehr freut es mich, dass uns Fabian Scheidler am 23. November in der Mödlinger Stadtgalerie die Ehre gibt und seine Bücher zur weiteren Besprechung vorstellt. Ich möchte aus ganzem Herzen dazu einladen! Für uns Grüne im Bezirk Mödling ist das zugleich auch der Auftakt zu einer großen Initiative, durch die wir unsere Gemeinden in Richtung Gemeinwohlgemeinden bewegen wollen. Eine Gemeinwohlgemeinde orientiert sich nicht ausschließlich am BIP, am Bruttoinlandsprodukt, sondern vielmehr am tatsächlichen realen und mentalen Wohlstand der Menschen. Hier ist die Politik in Zeiten wie diesen extrem gefragt. Ja, hier sind wir alle gefragt.

Herzliche Grüße
Christian Apl

Zur Ankündigung im Netz: http://bezirk.moedling.gruene.at/themen/oekonomie-und-wirtschaft/kapitalismus-wie-weiter

Zur Veranstaltung auf Facebook: https://www.facebook.com/events/936751509824446/

Zum Thema Gemeinwohlgemeinde: https://www.ecogood.org/de/gemeinwohl-bilanz/gemeinden/

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